Naturschutzgebiet „Ahrensee und nordöstlicher Westensee“

fliegender Seeadler

Das 1989 ausgewiesene Naturschutzgebiet „Ahrensee und nordöstlicher Westensee“ sichert einen für die schleswig-holsteinische Jungmoränen-Landschaft repräsentativen, weitgehend intakten Seen- und Fließgewässer-Komplex.

Das 621 Hektar große Schutzgebiet ist Teil des Naturparks „Westensee und obere Eider“, der sich durch große Höhenunterschiede, einen hohen Formenreichtum sowie eine bemerkenswerte Vielfalt an Standorten auszeichnet.

Die Region erhielt ihre heutige Gestalt in der Spätphase der letzten Eiszeit, die vor ca. 13.000 Jahren zu Ende ging. Damals hobelte eine Gletscherzunge das Becken des heutigen Westensees aus und schob das ausgeräumte Material im Südwesten zu steilen bis zu 89 Meter hohen Endmoränen auf. Die Spuren eiszeitlicher Vorgänge, wie Transport und Ablagerung von Moränenschutt oder Schmelzwassersanden, sowie die gewaltige Kraft des Eises sind auf Schritt und Tritt erkennbar und wirken sich auch heute noch auf die Lebensbedingungen der hier lebenden Tiere und Pflanzen aus.

Reiche Pflanzen- und Tierwelt

Gewöhnliches Pfeifenkraut

Die hohe Vielfalt an Lebensräumen ist Grundlage einer artenreichen Pflanzen- und Tierwelt im Naturschutzgebiet:

  • Im Uferbereich der Seen hat sich ein regelmäßiges, für die Verlandung nährstoffreicher Seen typisches Mosaik an Pflanzengesellschaften entwickelt, das von untergetaucht siedelnden Pflanzen über Schwimmblattbestände zu Schilfröhrichten, Seggenriedern, Weidengebüschen und Bruchwäldern reicht. Gegenüber ihrem ursprünglichen, natürlichen Zustand sind die Seen zwar deutlich mit Nährstoffen belastet, dennoch ist immer noch eine große Zahl an charakteristischen Tier- und Pflanzenarten nachzuweisen, die sonst selten geworden und zunehmend in ihrem Bestand bedroht sind. Der Seenkomplex hat eine hohe Bedeutung als Brut- und Rastrevier für heimische und durchziehende Wasservögel wie Haubentaucher, Zwergtaucher, Schellente oder Gänsesäger.
  • Auf den Seen findet der in den Uferwäldern brütende Seeadler seine Nahrung, die in erster Linie aus Fischen, im Winter aber auch aus Wasservögeln oder Säugetieren besteht.
  • Die Schilfsäume werden von einem breiten Spektrum an typischen Bewohnern besiedelt, zu denen verschiedene Rohrsänger aber auch die seltene Rohrdommel gehören.
  • Auf trocken gefallenen Seeterrassen haben sich kalkreiche Niedermoore entwickelt, unter anderem Wuchsorte des seltenen Kleinen Baldrians sowie geschützter Orchideen.
  • Moosreiche Quellen mit starker Ausfällung von Kalktuff entspringen zahlreich in den ufernahen Feuchtwäldern.
  • Im Mai schmücken der Hohle Lerchensporn und andere bunte Frühjahrsblüher den Buchenwald bei Marutendorf, wo neben dem Seeadler auch Uhu und Schwarzspecht brüten.
  • Der gut untersuchte Untere Schierenseebach ist einzigartig für Schleswig-Holstein. In dem Seeabfluss sind über 500 wirbellose Tierarten nachgewiesen, darunter die heute sehr seltene Bachmuschel oder verschiedene Eintagsfliegen, die alle auf sauerstoffreiche, saubere Gewässer angewiesen sind.

In der Eiszeit geformt

Gewöhnliche Natterzunge

Die Landschaft um den Westensee erhielt ihre heutige Gestalt in der Spätphase der letzten Eiszeit, als der mächtige Eisschild das östliche Schleswig-Holstein langsam wieder freigab. Der Rückzug des Eises verlief nicht fließend, sondern wurde von mehreren Kältephasen unterbrochen, in denen sich das Eis wieder ausdehnte. Dabei bildeten sich zumeist schmale Gletscherzungen, die mit ihrer steil aufragenden Front den Moränenschutt früherer Eisvorstöße ausräumten, vor sich herschoben und schließlich im Stirnbereich zu steil aufragenden Endmoränen aufstauchten.

Die niedrigen, das Zungenbecken gliedernden und umschließenden Moränenrücken stammen von späteren Eisvorstößen. Beim Abtauen dieser Gletscher wurden auch große Mengen an Schmelzwassersanden abgelagert, Ursache für das Auftreten von Trockenstandorten.

Der Große und der Kleine Schierensee sind sogenannte „Toteisseen“. Große Eisblöcke verhinderten hier eine Auffüllung mit Sand und Schutt und hinterließen nach dem Abschmelzen tiefe Mulden. Der Wasserspiegel des Westensees ist zuletzt 1892 beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals um ca. 1 Meter abgesenkt worden. Fossile Seeterrassen und Kliffs im Bereich der Halbinsel Börner deuten auf frühere Absenkungen des Seespiegels hin. Hierbei hat sich wohl auch die Landbrücke zwischen Ahrensee und Westensee geschlossen. Muscheln weisen auf die Entstehung als Seeboden oder Strandwall hin.

Der Untere Schierenseebach

Füher Schilfjäger

Der etwa 750 Meter lange Untere Schierenseebach verbindet den Kleinen Schierensee mit dem etwa 1m tiefer gelegenen Westensee. Solche Seeabflüsse stellen einen besonderen Fließgewässertyp dar und sind im östlichen Hügelland Schleswig-Holsteins relativ häufig. In Seeabflüssen sind die vorherrschenden Lebensbedingungen von der ökologischen Situation des einspeisenden Sees abhängig. Im Vergleich zu anderen Bachtypen weisen sie höhere Wassertemperaturen, schwankende Sauerstoffgehalte sowie hohe Nährstoffgehalte auf und zeichnen sich durch ein charakteristisches Artenspektrum aus.

Aufgrund des Reichtums an organischen Schwebstoffen sind Seeabflüsse bevorzugter Lebensraum von sogenannten „Filtrierern“ wie Kriebelmücken oder Großmuscheln. Im Schierenseebach bevölkern Fluss-, Bach- und Teichmuscheln das weitgehend ungestörte Gewässerbett und filtern ihre Nahrung aus dem vorbeiströmenden Wasser. Sie belegen ebenso wie die Vorkommen von Larven der Stein-, Eintags- und Köcherfliegen eine gute bis sehr gute Wasserqualität.

Für den wissenschaftlich gut untersuchten Unteren sowie den Oberen Schierenseebach (liegt außerhalb des Naturschutzgebietes) sind bislang etwa 500 Wirbellosenarten nachgewiesen. Von diesen ist ein Großteil selten und gefährdet. Da eine so hohe Zahl an Arten von keinem anderen schleswig-holsteinischen Fließgewässer bekannt ist, gehören beide zu den ökologisch wertvollsten Bächen des Landes.

Vögel im Naturschutzgebiet

Zwei Haubentaucher

Die Gewässer, Uferlandschaften und Wälder im Naturschutzgebiet „Ahrensee und nordöstlicher Westensee“ sind ein Paradies für Vögel, die hier brüten, rasten oder Nahrung suchen.

  • In den ufernahen Bereichen brüten mehrere Lappentaucher-arten wie Haubentaucher, Schwarzhals- und Zwergtaucher.
  • Tief im Röhricht verborgen legen Rohrdommel, Teich- und Schilfrohrsänger sowie die Rohrweihe ihre Nester an.
  • Der Eisvogel lebt sowohl an den Seeufern als auch entlang der Eider. Er benötigt sauberes Wasser sowie geeignete Strukturen wie Uferabbrüche, um seine Bruthöhlen anzulegen.
  • Neuntöter, Schlagschwirl und Braunkehlchen bevorzugen die strukturreiche Umgebung der Seen. Die Vögel benötigen gebüsch- und hochstaudenreiche Wiesen und Weiden oder Moorflächen zur Brut und Nahrungssuche.
  • Die ausgedehnten Wälder sind Brutrevier von Seeadler, Uhu, Habicht, Kolkrabe, Schwarzspecht und Hohltaube.
  • Eindrucksvoll ist der große Bestand an Gänsen und Enten in den nahrungsreichen Gewässern. Zu den hier erfolgreich brütenden Arten zählen Grau-, Kanada-, Brand- und Nilgans sowie Schell-, Schnatter-, Reiher-, Tafel- und Stockente.
  • Der Westensee ist auch ein bedeutsames Rastgebiet, insbesondere für Haubentaucher, Gänsesäger und Singschwan.

Fische im Westensee

Überschwemmung im Eidertal

Die Fischfauna des Naturschutzgebietes ist vergleichsweise artenreich. Sie umfasst nach bisheriger Kenntnis zum Teil relativ seltene Fischarten. Dabei sind vor allem die Vorkommen von Schlammpeitzger und Steinbeißer bemerkenswert. Beide Arten genießen den besonderen Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Quappe, Binnenstint, Hecht und Ukelei stehen in Schleswig-Holstein auf der Roten Liste der gefährdeten Fischarten. Regelmäßig und in stabilen Beständen sind dem gegenüber Plötze, Aland, Rotfeder, Schleie, Güster, Brassen, Aal, Gründling, Zander und Flussbarsch im Gebiet vertreten. Die im Naturschutzgebiet vorkommenden Fischarten haben sehr unterschiedliche Ansprüche an ihren Lebensraum:

  • So bevorzugt der Steinbeißer Gewässer mit sauberem, klarem und sauerstoffreichem Wasser. Er lebt hier an flachen, sandigen oder steinigen Stellen. Zur Nahrungssuche durchkaut er Sand, um Kleintiere und organisches Material aufzunehmen.
  • Der in Ufernähe lebende Aland wandert im Frühjahr in strömungsberuhigte Flussbereiche, um dort zu laichen.
  • Die Quappe lebt auf kiesig-sandigem Grund, wo sie sich tagsüber unter Wurzeln, Steinen oder zwischen Pflanzen versteckt. Sie meidet, anders als der sich gern im Schlamm vergrabende Schlammpeitzger, verschlammten Untergrund.

Die Verlandung von Seen

Schilfrohr

Mangel an Sauerstoff ist dafür verantwortlich, dass sich in Seen wachsende Kleinstlebewesen, Algen, sowie Wasser- und Sumpfpflanzen nach dem Absterben nicht vollständig zersetzen, sondern am Seegrund als Mudde oder Torf ablagern. Dadurch besteht das natürliche Schicksal von Stillgewässern langfristig darin, dass sie irgendwann vollständig mit organischem Material aufgefüllt (= verlandet) sind und sich zum Moor entwickelt haben.

Tiefe oder nährstoffarme Seen „altern“ über Jahrtausende. Flache und nährstoffreiche Seen sind dagegen oft schon wenige Jahrhunderte nach ihrer Entstehung vermoort. Viele unserer heimischen Seen sind aufgrund hoher Stoffeinträge aus der Landwirtschaft und Einleitung von Abwässern heute deutlich nährstoffreicher als sie von Natur aus wären. Häufig ist auch der Wasserspiegel künstlich abgesenkt. Die Verlandung verläuft dann stark beschleunigt ab und kann bereits innerhalb weniger Jahrzehnte abgeschlossen sein.

Nährstoffreiche Seen zeichnen sich durch eine charakteristische Abfolge der Lebensgemeinschaften im Uferbereich aus. Die Ausdehnung der verschiedenen Zonen ist sehr unterschiedlich und hängt vom jeweiligen Ernährungszustand („Trophie“) eines Sees ab:

  • Die flache, lichtdurchflutete Uferzone und das offene Wasser werden nur von untergetaucht lebenden Pflanzen besiedelt.
  • In windgeschützten Teilen des Sees bilden Schwimmblätter von Teich- und Seerose dichte Teppiche auf der Wasseroberfläche.
  • Die Pflanzen der Röhrichtzone tragen durch ihre absterbende Masse wesentlich zur Verlandung bei.
  • Weiden- und Erlen-Bruchwälder schließen die Verlandung und Entwicklung zum Moor ab.

Aus der Pflanzenwelt des Naturschutzgebietes

Buchenwald

Das Naturschutzgebiet „Ahrensee und nordöstlicher Westensee“ umfasst eine weite Spanne an unterschiedlichen Lebensräumen und weist daher eine vielfältige, schützenswerte Pflanzenwelt auf.

Die Seen beherbergen eine Vielzahl von Wasserpflanzen, von de-nen vor allem das Ährige-Tausendblatt, das Spiegelnde Laichkraut, der Tannenwedel und die Nadel-Sumpfsimse hervorzuheben sind. Zu den Besonderheiten der Röhrichte gehören neben der Binsen-Schneide auch die landschaftsprägenden Bulte der Rispensegge.

Auf alten Seeterrassen, deren Böden Seekreide und Muschelkalk enthalten, haben sich kalkreiche Niedermoore entwickelt. Die extensiv beweideten, ungedüngten Flächen sind Lebensraum mehrerer in Schleswig-Holstein seltener Pflanzenarten wie Fleischfarbenes Knabenkraut, Sumpf-Blutauge oder Kleiner Baldrian.

Die beiden Seen sind von ausgedehnten Wäldern eingerahmt. Im Frühling ist der Waldboden mit einem Teppich von Frühblühern wie Weißem und Gelbem Buschwindröschen, Stengelloser und Hoher Schlüsselblume oder dem seltenen Leberblümchen bedeckt.

Auf quellfeuchten Hängen entlang des Seeufers wachsen neben dem urtümlichem Winter-Schachtelhalm auch verschiedene Milzkrautarten sowie das Wiesen-Schaumkraut. Stehende oder ruhig fließende Gewässer bevorzugt das Pfeilkraut, das insbesondere für die Eider charakteristisch ist.

Libellen im Naturschutzgebiet

Fledermaus Azurjungfer

Libellen gehören zu den schönsten und größten einheimischen Insekten. Sie sind vor allem in Gewässernähe anzutreffen. Ihre Larven sind auf Wasser als Lebensraum angewiesen, wo sie von wenigen Monaten bis zu zwei Jahren räuberisch leben.

Viele Libellenarten stellen spezielle Ansprüche an die Struktur, den Pflanzenbewuchs und die Wasserqualität eines Gewässers. Daher nutzen die verschiedenen Arten unterschiedliche Gewässertypen zur Eiablage und zur Jagd.

Das Naturschutzgebiet „Ahrensee und nordöstlicher Westensee“ bietet mit seinen naturnahen Seen und Bächen sowie den Schilfzonen, Schwimmblattbereichen, Riedflächen und Sumpfwiesen Libellen sehr unterschiedliche Lebensräume. Das Gebiet beherbergt daher eine artenreiche Libellenfauna, der etliche in Schleswig-Holstein seltene und gefährdete Arten angehören.

So können entlang der Eider sowie den kleineren Seezuflüssen neben der Gebänderten Prachtlibelle auch die Gemeine Keiljungfer und die Blaue Federlibelle beobachtet werden. Die Fledermaus-Azurjungfer und das Große Granatauge halten sich vor allem entlang der Schwimmblattzone der Seen auf, während Biotope mit Weichholzbestand von Weidenjungfern bevorzugt werden. Die ausgedehnten Schilf- und Binsenbestände der Seeufer werden z.B. von Spitzenfleck und dem Frühen Schilfjäger bewohnt.