Naturschutzgebiet „Neustädter Binnenwasser“
Das Neustädter Binnenwasser ist ein 162 ha großer, im Mittel 1,3 m tiefer Strandsee. Seit 1984 sind der nordwestliche Teil des Sees, das angrenzende, sporadisch überflutete Salzgrünland sowie die Brackwasserröhrichte unter Naturschutz gestellt. Durch die schmale Verbindung zur Ostsee strömt immer wieder Salzwasser ein und vermischt sich mit dem Süßwasser aus mehreren zufließenden Bächen zu Brackwasser.
Das Naturschutzgebiet umfasst einen der größten Salzgrünlandkomplexe der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Es hat darüber hinaus eine besondere Bedeutung als Brut-, Rast- und Nahrungsgebiet für Vögel. Aufgrund der hohen Vielfalt an seltenen Lebensräumen sowie der artenreichen Tier- und Pflanzenwelt ist das Naturschutzgebiet „Neustädter Binnenwasser“ Teil des Netzes besonderer europäischer Schutzgebiete „NATURA 2000“ (FFH-Gebiet und Vogelschutzgebiet).
Von der Eiszeit geformt
Am Ende der letzten Eiszeit hatten die schmelzenden Gletscher im Bereich des heutigen Binnenwassers einen Eisstausee hinterlassen. Der Wasserspiegel der Ostsee lag damals noch ca. 80 - 100 m tiefer als heute. Später brach der Moränendamm und das abfließende Wasser spülte die knapp 8 m tiefe „Neustädter Rinne“ aus, in der heute der Neustädter Hafen liegt. Erst um Christi Geburt begann das Ostseewasser in das inzwischen vermoorte Becken hineinzuströmen. Durch die schmale Verbindung zur Ostsee strömt immer wieder Salzwasser ein und vermischt sich mit dem Süßwasser aus den zahlreichen zufließenden Bächen zu Brackwasser.
Tier- und Pflanzenwelt
Das Neustädter Binnenwasser bietet insbesondere für Wasservögel eine hohe Vielfalt an Lebensräumen und ein enges Nebeneinander von Brut- und Nahrungsflächen. Von den im Naturschutzgebiet brütenden Vögeln sind Zwerg- und Haubentaucher, verschiedene Entenarten, Höckerschwan sowie Grau- und Brandgans besonders hervorzuheben. Auch Blessralle, Gänse- und Mittelsäger brüten hier. Viele Vogelarten nutzen das Gebiet als Durchzugs-, Rast- oder Sammelplatz. Die Tiere werden vom großen Nahrungsangebot angelockt oder wechseln hier ihr Federkleid. Gerade in der Mauser reagieren die Vögel sehr empfindlich auf Störungen. Das Naturschutzgebiet darf daher nur in direkter Linie zwischen Neustadt und Altenkrempe befahren werden. Über das Jahr hinweg findet ein stetiger Austausch der Vogelarten statt. Während ein Teil der heimischen Brutvögel die Region zu verlassen beginnt, treffen bereits die ersten Zugvögel aus den nordischen Regionen ein, um hier zu rasten oder sogar zu überwintern. Die Vorkommen der salzliebenden Pflanzenarten sind einerseits vom Salzgehalt des Wassers abhängig. Dieser wird von der Menge an zufließendem Süß- und Salzwasser bestimmt und kann von Jahr zu Jahr erheblich schwanken. Andererseits können die typischen Pflanzen wie Grasnelke oder Stand-Aster ohne regelmäßige Pflege der Flächen nicht dauerhaft überleben.
Vogelparadies Binnenwasser
Das Neustädter Binnenwasser ist ein Paradies für Wasservögel. Lappentaucher, Entenvögel und Rallen verbringen den Hauptteil ihres Lebenszyklus im oder am Wasser, wo sie brüten, Nahrung aufnehmen und ruhen. Viele Arten sind durch die Entwicklung von besonderen Organen wie Schwimmhäute, Schwimmlappen oder Schnabelformen hervorragend an diesen Lebensraum angepasst. Andere Vogelarten, zu denen auch Graugans und Kiebitz gehören, nutzen das Schutzgebiet als Durchzugs-, Rast- oder Sammelplatz. Die Tiere werden vom großen Nahrungsangebot angelockt oder wechseln hier ihr Federkleid. Die Mauser stellt für die Vögel eine große Belastung dar. Sie benötigen dann nahrungsreiche und ungestörte Rastplätze. Eine Reihe der heimischen Brutvögel verlässt die Region bereits kurz nach der Brut, um nach Süden zu ziehen oder in anderen Gebieten nach Nahrung zu suchen. Ihre Stelle nehmen Zugvögel aus den nordischen Regionen ein, die hier rasten oder teilweise sogar überwintern.
Geheimnis Vogelzug
Das Vogelleben am Neustädter Binnenwasser gestaltet sich das ganze Jahr über als außerordentlich vielgestaltig. Am Binnenwasser vollzieht sich unmerkbar ein stetiges Kommen und Gehen. Während die ersten Brutvögel das Gebiet wieder verlassen, treffen bereits die ersten Zugvögel aus den nordischen Regionen ein. Der Zug der Vögel hat die Menschen schon immer fasziniert. Bis heute hat dieses immer wiederkehrende Ereignis seine Geheimnisse nicht vollständig preisgegeben und ist Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschungen
Wichtigste Ursache des Vogelzugs ist das jahreszeitlich wechselnde Nahrungsangebot in den Brutgebieten. Vielen Zugvogelarten ist die Flugrichtung und Flugdauer angeboren und damit ebenso der Zeitpunkt an dem sie in „Zugunruhe“ geraten. Das Ende des Brutgeschäftes oder erfolglose Bruten geben bei manchen Vogelarten bereits ab Juni das Signal zum Aufbruch zu ersten Stationen ihres Zuges. Auf ihren langen Flügen brauchen die Zugvögel geeignete Gebiete, um zu ruhen und ihre Nahrungsreserven aufzufüllen. Noch am Anfang des 20. Jahrhunderts fanden sie auf ihrem Weg genügend natürliche Landschaften, um dort Kraft für den Weiterflug zu schöpfen. Heute sind viele Rastgebiete durch die Ausbreitung der modernen Zivilisation verschwunden oder für die Tiere nicht mehr nutzbar. Die Zugvögel sind um so mehr auf ungestörte Rastplätze angewiesen, wie sie das Neustädter Binnenwasser bietet.
„Weidelandschaft“
Um die charakteristischen Pflanzenarten der Salzwiesen langfristig zu erhalten, wird am Neustädter Binnenwasser eine angepasste, naturschutzgerechte Pflege durchgeführt. Dazu werden größere zusammenhängende Flächen mit Rindern beweidet. Die Beweidung schafft offene Bodenstellen, auf denen die konkurrenzschwachen Pflanzen des Salzgrünlandes wieder keimen können. Zugleich werden hochwüchsige Pflanzenarten zurückgedrängt. Die eingesetzten Robustrinderrassen können ohne zusätzliche Fütterung das ganze Jahr über im Freien gehalten werden. Die „Weidelandschaft“ fördert die biologische Vielfalt (Biodiversität) in der gesamten Region.
LIFE-BaltCoast
Im Naturschutzgebiet Neustädter Binnenwasser werden Maßnahmen zur Verbesserung und Wiederherstellung von Lagunen- und Küstenwiesenkomplexen umgesetzt. Die Vernässung von Teilbereichen sowie die ganzjährige Beweidung erfolgen im Rahmen des von der EU teilfinanzierten „LIFE-BaltCoast-Projektes“, das von verschiedenen Organisationen im gesamten Ostseeraum durchgeführt wird. Die Maßnahmen kommen vor allem gefährdeten Arten wie Rotschenkel oder Kiebitz zugute. Auch Amphibien profitieren von der vielfältig strukturierten, durch Beweidung offen gehaltenen Landschaft. Um sie zu fördern, sind in den Weideflächen nördlich von Jarkau neue Gewässer angelegt worden.