75 Jahre Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein
Reinhard Schmidt-Moser

Auf dem Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein werden seit 1923, also seit 75 Jahren, Naturschutzgebiete (NSG) ausgewiesen. Dies ist Grund genug für eine kurzgefaßte Rückschau. In diesem kurzen Beitrag kann es nicht um eine qualitative und inhaltliche Bewertung der Naturschutzgebiete und der ihnen zugrunde liegenden Verordnungen gehen, obwohl gerade dies für den zukünftigen Einsatz der knappen Personalkapazitäten und für eine Überprüfung der Effizienz der geleisteten Arbeit notwendig wäre.

Gebiete, in denen ein besonderer Schutz der Natur in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist, werden heute von den Bundesländern auf der Grundlage des Paragraphen 13 des Bundesnaturschutzgesetzes, in Schleswig-Holstein in Verbindung mit Paragraph 17 des Landesnaturschutzgesetzes durch Verordnung der Obersten Naturschutzbehörde, zu Naturschutzgebieten erklärt. Der Gesetzgeber hat damit der Obersten Naturschutzbehörde den Auftrag erteilt, Gebiete, in denen dieser besondere Schutz erforderlich ist, nach Durchführung eines gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens zu Naturschutzgebieten zu erklären.

Bei den ersten Naturschutzgebieten auf dem Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein bildete das Feld- und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 die Grundlage. Dieses Gesetz blieb mit den Novellierungen vom 8. Juli 1920 und 21. Januar 1926 lange Zeit das rechtliche Fundamment. Das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 war in der Folge die anzuwendende Rechtsgrundlage. Es wurde erst vom Landschaftspflegegesetz vom 16. April 1973 abgelöst, dem nach einer Novellierung am 19. November 1982 schließlich das Landesnaturschutzgesetz vom 16. Juni 1993 folgte.

Am 31. Dezember 1998 gab es 177 Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein. Sie bedecken eine Fläche von 202.635 Hektar. Der größte Teil dieser Fläche befindet sich jedoch in der Ost- und vor allem der Nordsee im Wattenmeer und damit nicht auf katastermäßig erfaßter Landesfläche. Will man der Frage nachgehen, welcher Anteil von Schleswig-Holstein Naturschutzgebiet ist, so kann man zur besseren Vergleichbarkeit mit anderen Bundesländern nur den Teil der Naturschutzgebiete zugrunde legen, der sich auf eben dieser katastermäßig erfaßten Landesfläche befindet. Dies waren zu dem genannten Zeitpunkt 39.931 Hektar. Dies entspricht 2,54 Prozent der Landesfläche. Damit liegt Schleswig-Holstein bei den Flächenländern gemeinsam mit Brandenburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern in der Spitzengruppe aller Bundesländer.

Verteilung der Zahl Naturschutzgebiete auf die heutigen Kreise

Die Anzahl der Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein ist in den einzelnen Kreisen sehr unterschiedlich. Die ungleichmäßige Verteilung auf die Kreise hat zum einen traditionelle Gründe, spiegelt aber auch die unterschiedliche natürliche Ausstattung der Kreise mit verbliebenen naturnahen Lebensräumen wider. Nordfriesland mit dem Wattenmeer, den Halligen, den dünen- und heidebestandenen Geestinseln Sylt, Amrum und zum Teil Föhr hat besonders viele naturgeprägte Bereiche aufzuweisen, denen auch im bundesdeutschen und mitteleuropäischen Maßstab herausragende Bedeutung zukommt. Nicht zufällig liegen die beiden ältesten schleswig-holsteinischen Naturschutzgebiete, die NSG "Nord-Sylt" und "Morsum-Kliff" (Verordnung vom 3. April 1923: "...In dem Naturschutzgebiet ist das ganze Dünengelände in seinem geologischen Aufbau, sowie in seinem natürlichen Pflanzenwuchs unberührt zu erhalten und das Landschaftsbild als Ganzes, sowie im einzelnen der Boden, die Tier- und Pflanzenwelt vor Eingriffen durch den Menschen geschützt...") in diesem Raum. Bis 1940 waren bereits 11 Naturschutzgebiete in diesem Kreis ausgewiesen. Hier spielte auch die frühere Fokussierung auf die Vogelwelt als traditionelles Schutzmotiv eine Rolle, haben doch das Watt und die Hallig- und Inselwelt Nordfrieslands für Vogelzug und Vogelbrut bis heute eine herausragende Rolle. Die Bewahrung der Naturschönheiten dieser Landschaft durch gesetzlich geschützte Naturschutzgebiete und seit dreizehn Jahren durch den Nationalpark bildet die Grundlage für den für Nordfriesland wirtschaftlich so bedeutenden Tourismus.

Aber andere Kreise stehen Nordfriesland kaum nach. Auch wenn sie durch ganz andere Naturräume geprägt sind, die nicht weniger erhaltenswert sind. Den stärksten Anstieg von zwei auf 20 Naturschutzgebiete hat der Kreis Herzogtum Lauenburg zu verzeichnen. Im Rahmen des durch den Bund geförderten Schaalseeprojektes ist es gelungen, die früher im Schatten der innerdeutschen Grenze abseits stehenden und damit ungefährdeten Naturschönheiten auf Dauer zu bewahren.

Anzahl der Naturschutzgebiete in den Kreisen Schleswig-Holsteins (1975 und 1998).

Anzahl Naturschutzgebiete

(Zum Vergrössern bitte die Grafik anklicken)



Fläche der Naturschutzgebiete in den Kreisen

Auch bei der NSG-Fläche in den Kreisen ist die Spitzenstellung von Nordfriesland nicht zu übersehen. Nicht in die Bewertung eingegangen ist die NSG-Fläche im Wattenmeer, die nicht zur Kreis- beziehungsweise Landesfläche zählt. Mit den Wattflächen ist die NSG-Fläche in Nordfriesland etwa zehnmal größer. Es gibt also nicht nur viele Naturschutzgebiete in Nordfriesland, sondern auch besonders große. Die Gebiete im Kreis Herzogtum Lauenburg sind offensichtlich durchschnittlich größer als die in den zahlenmäßig etwa gleichauf liegenden Kreisen Plön und Schleswig-Flensburg, denn der zweite Rang des südlichsten Kreises zeichnet sich beim Flächenvergleich deutlicher ab.

Fläche der Naturschutzgebiete in den Kreisen Schleswig-Holsteins.

Fläche der Naturschutzgebiete

(Zum Vergrössern bitte die Grafik anklicken)



Größenverteilung der Naturschutzgebiete

In Schleswig-Holstein sind NSG im prozentualen Flächendurchschnitt größer als im gesamten Bundesgebiet. Während bundesweit die meisten Naturschutzgebiete zwischen 20 und 50 Hektar groß sind, liegen die meisten in Schleswig-Holstein zwischen 200 und 500 Hektar. Das arithmetische Mittel der Flächengröße der Naturschutzgebiete beträgt für die Bundesrepublik 134 Hektar und für Schleswig-Holstein 226 Hektar.

Die Größe des zu schützenden Gebietes hat neben der unmittelbar aus der Hektarzahl ablesbaren Bedeutung einen darüber hinaus gehenden positiven Einfluß auf die Erreichung des Schutzziels eines Naturschutzgebietes. In Naturschutzgebieten sollen Ökosysteme, das sind bestimmte Lebensräume (Biotope) mit der daran gebundenen Lebensgemeinschaft aus Pflanzen und Tieren (Biozönose), so vollständig wie möglich erhalten oder entwickelt werden. Die Ökosystemen innewohnende Fähigkeit zur Selbstregulation, das heißt zur selbständigen Reaktion auf Einflüsse, soll in den unter den hier geltenden natürlichen Verhältnissen dazu befähigten Ökosystemen wie zum Beispiel Moore, Wälder und Seen so weit wie möglich erhalten oder wiederhergestellt werden. In Ökosystemen, die auf Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen angewiesen sind beispielsweise Kulturökosysteme wie Wiesen und Weiden, aber auch Niederwälder und Heiden, sollen planvolle Maßnahmen den gewünschten Zustand erhalten. Insbesondere Ökosysteme, die auch unter unseren mitteleuropäischen Verhältnissen zur weitgehenden Selbstregulation in der Lage sind, benötigen hierfür eine ausreichende Mindestfläche, denn mit der Größe steigt die Artenzahl stark an. Die möglichst vollständige Artenzahl der für den Biotop charakteristischen Biozönose ist wiederum die entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren aller wichtigen inneren Prozesse, kurz: die Selbstregulation.

Größenverteilung der Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik.

Größenverteilung der Naturschutzgebiete

(Zum Vergrössern bitte die Grafik anklicken)



Vergleicht man die Größenverteilung aller schleswig-holsteinischen Naturschutzgebiete mit denen, die in Schleswig-Holstein in den letzten elf Jahren ausgewiesen wurden, so wird deutlich, daß in den vergangenen Jahren weniger Gebiete in den Größenklassen bis 50 Hektar ausgewiesen wurden, sondern mehr in den Klassen über 50 Hektar. Besonders deutlich ist dies in der Größenklasse 100 bis 200 Hektar. Dies hat seinen Grund darin, daß sowohl die einzelnen Gebiete nicht mehr auf den engsten zu schützenden Kernbereich beschränkt wurden, sondern auch zunehmend Flächen einbezogen wurden und werden, von denen Einwirkungen auf den Kernbereich zu erwarten sind. Zum anderen ist der Grund für die bedeutendere Größe der jüngeren Naturschutzgebiete auch der, daß man sich bei der Auswahl der auszuweisenden Gebiete auf die großen konzentriert hat. Diese erfüllen aus den oben beschriebenen Gründen die Voraussetzungen für die möglichst vollständige Erhaltung oder Wiederherstellung der für den Lebensraum charakteristischen Lebensgemeinschaft aus Pflanzen und Tieren in besonderer Weise.


Größenverteilung der Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein: Vergleich aller zur Zeit vorhandenen Gebiete (gelb) mit den im Zeitraum 1988 bis 1998 ausgewiesenen Gebiete (blau).

Größenverteilung der Naturschutzgebiete

(Zum Vergrössern bitte die Grafik anklicken)



Ausweisungaktivität im Verlauf der Jahrzehnte

Im Verlauf dieses Jahrhunderts setzte vor rund 20 Jahren eine erhebliche Intensivierung der Ausweisung von NSG in Schleswig-Holstein ein. Sie war Konsequenz einer systematischeren Erfassung der naturschutzwürdigen Flächen im Lande im Rahmen der landesweiten Biotopkartierung. Obwohl sich das gesetzliche Verfahren zur Ausweisung von Naturschutzgebieten seit dem ersten Landschaftspflegegesetz von 1973 im wesentlichen nicht geändert hat, ist der informelle Aufwand für die Bürgerbeteiligung im Vorfeld vor dem eigentlichen Verfahren in diesem Jahrzehnt ganz erheblich angewachsen. Gleichzeitig erschwert ein immer härter werdender, zum Teil unsachlicher Widerstand gegen den Naturschutz allgemein die Erfolge der Arbeit. Daß dennoch Qualität und Quantität der Flächensicherung durch Naturschutzgebiete nicht nur gehalten sondern gesteigert werden konnte, ist zum einen der Tatsache, daß vor zehn Jahren organisatorisch und personell in diesem Bereich ein Schwerpunkt gesetzt wurde und zum anderen dem persönlichen Einsatz der in diesem Bereich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken.


In Fünfjahres-Zeiträumen ausgewiesene Naturschutzgebiete von 1923 bis 1998.

ausgewiesene Naturschutzgebiete

(Zum Vergrössern bitte die Grafik anklicken)



Fotounterschriften:

Naturschutzgebiet "Besenhorster Sandberge"

Naturschutzgebiet Besenhorster Sandberge

(Zum Vergrössern bitte das Bild anklicken)



Naturschutzgebiet "Amrum Odde"

Naturschutzgebiet Amrum Odde

(Zum Vergrössern bitte das Bild anklicken)



Der Rundblättrige Sonnentau (Drosera Rotundifolia) wächst in nährstoffarmen Mooren und feuchten Dünentälern der Küste

Der Rundblättrige Sonnentau

(Zum Vergrössern bitte das Bild anklicken)