Die TA Siedlungsabfall und ihre Konsequenzen
Martin Rüter

"Ab 2005 müssen alle Abfälle verbrannt werden."
"Schleswig-Holstein setzt auf mechanisch-biologische Abfallbehandlung."
"Wir brauchen keine neuen Deponien."

Sätze wie diese kann man in der Zeitung lesen, von Politikern und anderen Menschen hören. Dahinter steckt die TA Siedlungsabfall. Was ist das, und was hat das LANU damit zu tun?

Nach Paragraph 12 Absatz 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erläßt die Bundesregierung allgemeine Verwaltungsvorschriften über Anforderungen an die umwelt- verträgliche Beseitigung von Abfällen nach dem Stand der Technik. Inzwischen gibt es drei davon, die dritte und jüngste ist die Technische Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen, kurz: TA Siedlungsabfall oder TASi, vom 14. Mai 1993. Sie trat am 1. Juni 1993 in Kraft.

Verwaltungsvorschriften binden die zuständigen Behörden. Sie können Vorschriften enthalten, bis wann, auf welcher Rechtsgrundlage, für welche Anlagen und mit welchem Inhalt die Behörden Anordnungen zu erlassen haben. Erst mit solchen Anordnungen wird die Verwaltungsvorschrift auch für Dritte verbindlich umgesetzt. Gesetze und Verordnungen gelten dagegen unmittelbar für alle.

Das LANU ist die abfallrechtlich zuständige Behörde für fast alle Deponien, zumindest für alle betriebenen Hausmülldeponien. Die Vorschriften der TASi betreffen überwiegend Deponien. Während für andere Abfallentsorgungsanlagen eher allgemeine Anforderungen enthalten sind, sind die TASi-Anforderungen an Deponien detailliert.

Der zentrale Satz der TASi steht in Abschnitt 4.2.1: "Abfälle dürfen nur dann der Deponie zugeordnet werden, wenn sie nicht verwertet werden können und die Zuordnungswerte des Anhangs B eingehalten werden." Der Anhang B der TASi enthält Zuordnungswerte für 23 Parameter: schärfere Werte für die Deponieklasse I, nicht ganz so scharfe für die Deponieklasse II. Ein Abfall, der die Zuordnungswerte für die jeweilige Deponieklasse nicht einhält, darf auf einer Deponie dieser Klasse nicht abgelagert werden.

Die beiden Deponieklassen unterscheiden sich außerdem durch unterschiedliche Anforderungen an den Standort und die Deponietechnik. Diese Anforderungen sind für Deponien der Klasse II höher als für Deponien der Klasse I. Die Systematik ist im Zusammenhang mit der TA Abfall, Teil 1 zu sehen. Das ist eine zweite Verwaltungsvorschrift, allgemein TA Sonderabfall genannt. Für Sonderabfalldeponien gelten noch strengere Anforderungen an die Deponietechnik als für TASi-Klasse-II-Deponien, dafür sind die Zuordnungswerte bei Sonderabfalldeponien noch höher.

Die Tabelle nennt einige ausgewählte Zuordnungswerte, bei denen die Abstufung der verschiedenen Deponieklassen gut zu erkennen sind.

Zuordnungswerte der verschiedenen Deponieklassen

Parameter

Sonderabfall-
deponie

Siedlungsabfall-
deponie
Klasse II

Siedlungsabfall-
deponie
Klasse I

Glühverlust des Trocken-
rückstandes der Originalsubstanz

£ 10 Masse-%

£ 5 Masse-%

£ 3 Masse-%

Extrahierbare lipophile Stoffe der Originalsubstanz

£ 4 Masse-%

£ 0,8 Masse-%

£ 0,4 Masse-%

Eluatkriterien:      
Leitfähigkeit

£ 100.000 m S/cm

£ 50.000 m S/cm

£ 10.000 m S/cm

TOC

£ 200 mg/l

£ 100 mg/l

£ 20 mg/l

Phenole

£ 100 mg/l

£ 50 mg/l

£ 0,2 mg/l

Blei

£ 2 mg/l

£ 1 mg/l

£ 0,2 mg/l

Zink

£ 10 mg/l

£ 5 mg/l

£ 2 mg/l

Cyanide, leicht freisetzbar

£ 1 mg/l

£ 0,5 mg/l

£ 0,1 mg/l

AOX

£ 3 mg/l

£ 1,5 mg/l

£ 0,3 mg/l

Wasserlöslicher Anteil

£ 10 Masse-%

£ 6 Masse-%

£ 3 Masse-%



Genau entgegengesetzt sind die Anforderungen an die Deponietechnik. Die folgende Abbildung zeigt dies am Beispiel der Deponiebasisabdichtung.

Deponiebasisabdichtungssysteme im Vergleich

Deponiebasisabdichtungssysteme
(Zum Vergrössern bitte die Grafik anklicken)


Die meisten Zuordnungswerte des TASi-Anhangs B sind von Hausmüll einhaltbar. Nicht so jedoch die beiden Parameter unter Nummer zwei:

Zuordnungswerte für Organische Anteile des Trockenrückstandes

    Zuordnungswerte
Nr. Parameter Deponieklasse I Deponieklasse II
2 Organischer Anteil des Trockenrückstandes der Originalsubstanz    
2.01 bestimmt als Glühverlust £ 3 Masse-% £ 5 Masse-%
2.02 bestimmt als TOC £ 1 Masse-% £ 3 Masse-%


Glühverlust- und TOC-Bestimmung (TOC=Total organic carbon=gesamter organischer Kohlenstoff) sind standardisierte Verfahren. Derart niedrige Werte, wie sie die TASi nennt, sind bei Abfällen mit nennenswerten organischen Anteilen, wie beispielsweise beim Hausmüll, nicht zu erreichen. Jeder Abfall, der diese Werte nicht einhält, dürfte also nicht abgelagert werden.

Hinter diesen Werten steht der Gedanke, daß alle Abfälle, die auf Deponien abgelagert werden, so beschaffen sein sollen, daß sie dort umweltverträglich für die Ewigkeit liegen bleiben können. Organische Verbindungen können abgebaut werden, Sickerwasser belasten und Deponiegas erzeugen. Deshalb soll ihr Anteil im abgelagerten Abfall soweit wie möglich reduziert werden. Dies setzt eine Vorbehandlung voraus. Neben der von der TASi angestrebten thermischen Behandlung der Abfälle sind geeignete alternative Verfahren im Einzelfall zugelassen. Die TASi enthält die entsprechenden Ausnahmebestimmungen.

Die TASi gilt seit dem 1. Juni 1993. Seitdem gilt auch diese grundsätzliche Anforderung. Wie eingangs erwähnt, muß eine Verwaltungsvorschrift durch Anordnungen umgesetzt werden. Die TASi fordert unter Nummer 12.2 daher die zuständigen Behörden zwingend auf, bis zum 1. Juni 1995 nachträgliche Anordnungen zur Einhaltung der Zuordnungswerte zu erlassen. Nur wenn absehbar ist, daß der Abfall aus Gründen mangelnder Behandlungskapazität, also wegen fehlender Verbrennungsanlagen, die Zuordnungswerte nicht erfüllen kann, darf die Behörde längstens bis zum 1. Juni 2005 (für Bauabfälle und andere mineralische Abfälle längstens bis zum 1. Juni 2001) Ausnahmen von der Zuordnung zulassen.

Bis 1996 war das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten dafür zuständig. Hier wurden im Frühjahr 1995 weitgehend identische Anordnungen an alle elf in Schleswig-Holstein betriebenen Hausmülldeponien erstellt. Sie enthielten neben der Anordnung der Zuordnungskriterien ebenfalls aus der TASi übernommene Auflagen zur Anpassung der Dokumentation (zum Beispiel Betriebstagebuch, Jahresübersicht) und zur Aufstellung eines technischen Nachrüstprogrammes (beispielsweise für Deponiegaserfassung oder Oberflächenabdichtung). Wie es Paragraph 87 Landesverwaltungs- gesetz vorschreibt, wurden die Anordnungen den Empfängern zunächst zur Anhörung übersandt. Dies geschah im Mai 1995, die eigentlichen Anordnungen wurden im Frühjahr 1996 versandt. Bei den Zuordnungswerten war vorgesehen, daß ohne jeden Nachweis die Zuordnungswerte für ein Jahr überschritten werden dürfen. Danach sollte eine Überschreitung nur zulässig sein, wenn seitens der Deponiebetreiber nachgewiesen wird, daß keine Behandlungskapazitäten (= Müllverbrennungsanlagen) zur Verfügung stehen.

Fast alle Deponiebetreiber legten gegen die Anordnung Widerspruch ein. Zentrales Argument der Widerspruchsführer war, daß für einen Weiterbetrieb der Deponien nicht mehr ausreichend Abfälle vorhanden wären, wenn alle organischen Abfälle verbrannt werden müssen. Die Deponien müßten also geschlossen werden. Die Deponienachsorge gemäß TASi würde erhebliche Kosten verursachen. Kapazitäten in Verbrennungsanlagen müßten bezahlt werden. All dies würde zu extremen Gebührensteigerungen führen.

Nicht nur in Schleswig-Holstein wurde in den vergangenen Jahren über die TA Siedlungsabfall und die Möglichkeit, von ihr abweichend zu entscheiden, diskutiert. Inzwischen gibt es Rechtsgutachten mit teilweise abweichenden Ergebnissen und erste Verwaltungs- gerichtsurteile. Die Widerspruchsbescheide für die Anordnungen des LANU werden im Frühjahr 1998 versandt. Sie werden im wesentlichen eine Zurückweisung der Widersprüche beinhalten. Es ist davon auszugehen, daß sich die Widerspruchsführer mit dieser Entscheidung nicht zufriedengeben werden. Das Verfahren wird also vor dem Verwaltungsgericht fortgeführt werden und auch das LANU weiter beschäftigen.