Riesige Energiereserven liegen unter unseren Füßen, die als Wärme im tiefen Untergrund der Erde gespeichert sind. In 1.000 Meter Tiefe haben die Gesteine eine mittlere Temperatur von etwa 40°C, bei 2.000 Meter von 70°C und bei 3.000 Meter bereits von etwa 100°C. Die Erdwärme stellt ein bedeutendes Energiepotential dar, das in Schleswig-Holstein bisher noch nicht genutzt wird.
Angesichts der Energie- und Klimasituation hat die zukünftige Nutzung der Erdwärme ökologische Bedeutung. Gegenwärtig stehen Erdöl und Erdgas zwar zu günstigen Preisen in Hülle und Fülle zur Verfügung, doch wissen wir, daß die fossilen Energievorkommen ohne Ausnahme endlich sind, daß sie sich nicht erneuern. Es ist zu erwarten, daß der steigende Energiebedarf im nächsten Jahrhundert nicht mehr durch fossile Energien gedeckt werden kann. Die heute etwa 5,4 Milliarden zählende Weltbevölkerung nimmt unvermindert zu, derzeit um etwa 100 Millionen pro Jahr. Damit steigt auch die Anzahl der potentiellen Verbraucher. Es nehmen aber nicht nur die absoluten Zahlen zu, sondern auch die Ansprüche des Einzelnen. Der dadurch steigende Bedarf bedingt natürlich eine vermehrte Verbrennung von fossilen Energieträgern mit weiterhin stark steigenden Kohlendioxid (CO2)-Emissionen. Allein in Deutschland sind es zur Zeit jährlich knapp 1 Milliarde Tonne CO2, weltweit mehr als 22 Milliarden Tonnen CO2.
Dies führt zu einem kontinuierlichen Anstieg des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre. Damit wird der empfindliche, ausbalancierte, natürliche Treibhaus-Effekt, der für die Existenz jeglichen Lebens erforderlich ist, gestört. Beim natürlichen Treibhaus-Effekt handelt es sich um die Eigenschaft der Atmosphäre, kurzwellige solare Strahlung nahezu ungehindert passieren zu lassen. Gleichzeitig wird jedoch die daraus am Boden entstehende langwellige Strahlung weitgehend absorbiert. Die Atmosphäre verhält sich damit wie die Glasabdeckung eines Gewächshauses: die am Boden herrschende Temperatur wird merklich erhöht.
Weil die zusätzliche Temperaturerhöhung negative Auswirkungen hat, hat sich Deutschland das Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß zu vermindern, CO2-Vermeidungsstrategien zu entwickeln und Wege zu ihrer Umsetzung zu finden. Mit der Nutzung der Geothermie, der unterhalb der Erdoberfläche in den Gesteinen und Poren-
flüssigkeiten gespeicherten Erdwärme, kann ein Beitrag zur CO2-Vermeidung geleistet werden.
Von den theoretisch unermeßlichen Energiereserven lassen sich nach heutigem Kenntnisstand in Schleswig-Holstein aber nur die Wärmemengen nutzbar machen, die an heißes Tiefenwasser gebunden sind und mittels Förderbrunnen an die Erdoberfläche geholt werden können. Das Wasser dient dabei als Wärme-
transportmittel. Dieses Hydrothermale Geothermie genannte Wärmegewinnungsverfahren ist ein bereits vielfach erprobtes Verfahren, das Heizenergie im Megawatt (MW)-Bereich für zentrale Heizanlagen zur Verfügung stellen kann. Positive Erfahrungen liegen aus Mecklenburg-Vorpommern und aus Frankreich vor. Das LANU geht davon aus, daß die geologischen Voraussetzungen für den Einsatz dieses Verfahrens auch in Schleswig-Holstein günstig sind.
Die energetische Nutzung von Tiefenwasser mit Temperaturen zwischen etwa 60 - 100°C für Heizzwecke und Warmwasser-
bereitung ist an Speichergesteine in etwa 1.500 - 3.000 Meter Tiefe gebunden. Mit zunehmender Tiefe steigt die Temperatur um etwa 30°C pro 1.000 Meter an. Ausgehend von einer mittleren Jahrestemperatur von etwa 10°C werden so in 2.000 Meter Tiefe etwa 70°C und in 3.000 Meter etwa 100°C erreicht.
Solche Speichergesteine sind unter anderem im sogenannten Schwedenecker Innentrog (Westliche Randsenke der Salinar-
struktur Waabs-Schwedeneck-Honigsee-Warnau) ausgebildet. Er erstreckt sich etwa vom Raum Schwansen bis knapp nördlich von Neumünster, so daß Teilbereiche der Städte Eckernförde und Kiel sowie beispielsweise die Gemeinden Waabs und Gettorf in ihrem tiefen Untergrund über äußerst interessante Heißwasserspeicher verfügen können.
Geologischer Schnitt durch die westliche Randsenke der Salzstruktur Schwedeneck - Honigsee
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Im Schwedenecker Innentrog ist der vor etwa 210 Millionen Jahren abgelagerte Mittelrhät-Hauptsandstein erhalten geblieben, als vor etwa 145 Millionen Jahren in der jungkimmerischen Hebungsphase weite Teile des Landes der Erosion zum Opfer fielen. Die Tiefenlage dieses Rhät-Horizontes knapp unterhalb der Lias-Basis und die aus dem normalen geothermischen Gradienten abgeleiteten Temperaturen in ihm zeigen die folgenden Abbildungen.
Tiefenlinienplan der Basis Lias. Dies entspricht etwa der Oberfläche des Rhät-Sandsteines.
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Temperaturverteilung entsprechend dem mittleren Temperaturgradienten von 3°C pro 100 Meter an der Basis Lias, die etwa der Oberfläche des Rhät-Sandsteines entspricht.
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Zur Ressourcenermittlung ist eine genaue Kenntnis der porösen wasserführenden Abschnitte, der sogenannten Aquifere, erforderlich. Hierzu gehören unter anderem die Mächtigkeit, die Porosität, die Dichte des Gesteinsmaterials (Gesteinsmatrix) und des Porenwassers, die spezifische Wärmekapazität der Gesteinsmatrix und des Porenwassers sowie der Chemismus des Porenwassers und die Temperaturen in diesem Horizont. Der gegenwärtige Kenntnisstand ist jedoch für konkrete Planungen noch nicht ausreichend abgesichert. Es sind daher noch zusätzliche geowissenschaftliche Untersuchungen erforderlich.
1997 begann das LANU in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung - Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben mit seismischen Untersuchungen im Raum Waabs. Ziel ist es, zu verbesserten Aussagen über die wasserführenden Horizonte zu gelangen. Es geht unter anderem darum, zu möglichst sicheren, qualitativ hochwertigen Aussagen zu kommen, um das geologische Risiko zu minimieren. Damit ist das Risiko gemeint, die erwarteten Tiefenlagen, Speichereigenschaften und Temperaturen auch tatsächlich vorzufinden.
Wegen der hohen Bohrkosten müssen zunächst vorrangig die kostengünstigen indirekten geophysikalischen Verfahren zum Einsatz kommen. Ein Beispiel ist die Reflexionsseismik, bei der mittels künstlicher Impulse - beispielsweise kleiner Sprengungen - der Untergrund durchschallt wird, so daß einzelne Horizonte die auftreffenden Schallwellen reflektieren. Die Reflexionsbilder, die Seismogramme, liefern ein Abbild des Untergrundes. Daraus läßt sich auf die Tiefenlage und in günstigen Fällen auch auf die Ausbildung und die Eigenschaften der Horizonte schließen.
Darüber hinaus sollen verstärkt geologische und sedimentologische Fragen geklärt werden, die Auskunft über den zu erwartenden Porenraum in den Aquiferen geben können. Dabei geht es um die Erkundung der primären Gesteinseigenschaften, die diese bei ihrer Ablagerung als Lockermaterial hatten. Außerdem werden sekundäre Veränderungen, die sich im Laufe der Umbildung zu Festgesteinen (Diagenese) eingestellt haben und die die Gesteinseigenschaften wie Porenraum und Durchlässigkeit bestimmen, untersucht. Ferner können durch die tiefe Versenkung von Schichtkomplexen im Laufe der Erdgeschichte noch weitere Veränderungen, beispielsweise die Zementation (Verstopfung) des Porenraumes, eingetreten sein. Auch auf diesem Feld besteht ein großer Untersuchungsbedarf in Schleswig-Holstein und den benachbarten Gebieten.
Die technischen Einrichtungen zur hydrothermalen Erdwärmegewinnung aus mineralisiertem Tiefenwasser bestehen aus einem unterirdischen Thermalwasser-Kreislauf und einem oberirdischen Heizwasser-Kreislauf. Die Verbindung beider stellt der Wärmetauscher oder Wärmeübertrager dar, in dem die Wärme des Heißwassers an das Heizwasser abgegeben, übertragen wird. Er stellt das Herzstück einer Geothermischen Heizzentrale dar.
Schema der hydrothermalen Erdwärmenutzung
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Der unterirdische Thermalwasser-Kreislauf besteht aus zwei Tiefbohrungen, die als Förder- beziehungsweise Injektionsbohrung dienen und zusammen eine sogenannte Doublette bilden. Mit der Förderbohrung wird das heiße Tiefenwasser an die Erdoberfläche gehoben, über den Wärmetauscher geleitet und abgekühlt und danach über die Injektionsbohrung wieder in den Entnahmehorizont zurückgeführt. Die Wiedereinleitung des abgekühlten Wassers ist wegen seiner hohen Salinität (etwa 200 Gramm Salz pro Liter Lösungsinhalt) aus Gründen des Umweltschutzes sowie wegen der Druckerhaltung im hydraulischen System unbedingt erforderlich. Entnahmeort und Wiedereinleitungspunkt müssen innerhalb des Speicherhorizontes so weit auseinanderliegen, daß ein thermischer Kurzschluß, ein schneller Kaltwasserdurchbruch in die Förderbohrung, vermieden wird. Aus diesem Grund sollen beide Punkte einen Mindestabstand von etwa 1.500 Meter haben. Auf dem Wege durch den Porenraum des Speicherhorizontes erwärmt sich das zurückgeführte abgekühlte Wasser allmählich wieder, indem es der Gesteinsmatrix die gespeicherte Erdwärme entzieht. Die Lebensdauer einer solchen Doublette soll mindestens 25 bis 30 Jahre betragen.
Der oberirdische Heizkreislauf versorgt die angeschlossenen Wärmeabnehmer. In den Fällen, in denen das Temperaturniveau des geförderten Wassers nicht hoch genug ist, kann dieses mittels einer Wärmepumpe auf das gewünschte Maß angehoben werden. Da aus ökonomischen Gründen aus der Erdwärme nur die Grundlast bereitgestellt werden kann, ist für den Spitzenbedarf noch eine konventionelle Heizanlage erforderlich.
Eine Nutzung hydrothermaler Erdwärme-Vorkommen kann aber nur dann erfolgreich realisiert werden, wenn neben günstigen geologischen Gegebenheiten auch geeignete infrastrukturelle Voraussetzungen bestehen, die eine zentrale Wärmeversorgung ganzer Stadtteile mittels eines Nah- beziehungsweise Fernwärmenetzes ermöglichen. Eine Einkoppelung von Erdwärme ist dann jederzeit möglich. Eine möglichst weitgehende Ausnutzung des Wärmeinhaltes kann die Wirtschaftlichkeit einer Geothermischen Heizanlage deutlich erhöhen. Es sollte eine kaskadenartige Nutzung der Wärme mit diversen nachgeschalteten Nutzungsmöglichkeiten, wie in Schwimmbädern, Gewächshäusern oder Fischzuchtanlagen, in Erwägung gezogen werden.
Durch den Ersatz fossiler Brennstoffe, wie Erdöl und Erdgas, kann die CO2-Emission merklich reduziert werden. So hat eine Gesamtenergiebilanz, die alle Energieaufwendungen einschließlich der Einrichtungsarbeiten, der 25-jährigen Betriebsphase und der Entsorgungsmaßnahmen kumulativ berücksichtigt, ergeben, daß kombinierte Geothermie- und Erdgas- oder Erdöl-Heizanlagen rund ein Drittel weniger fossile Energien verbrauchen als reine Erdgas- oder Erdöl-Heizanlagen. Darüber hinaus zeigt ein Vergleich mit anderen Substitutionsverfahren, daß die Aufwendungen für die Reduktion des CO2-Ausstoßes mit etwa 145 Mark pro Tonne vergleichsweise günstig ausfallen.
Es zeigt sich also, daß die hydrothermale Geothermie mit der Nutzung von Heißwasser als Heizwasser ein geeignetes Verfahren zur Schonung der endlichen fossilen Energiereserven und zur Reduzierung der CO2-Emissionen ist. Da aber die Kostensituation durch hohe Investitionen, insbesondere für die Bohrungen, und durch geringe Betriebskosten geprägt ist, bedeutet es, daß vor allem die Kapitalkosten die Aufwendungen für eine Geothermie-Anlage bestimmen, während es bei herkömmlichen Energieerzeugungsanlagen vor allem die Aufwendungen für das Heizmaterial sind. Solange die Kosten für fossile Energien so niedrig wie zur Zeit sind, liegen aber auch bei den konventionellen Kraftwerken die Betriebskosten relativ niedrig. Da eingesparte CO2-Emissionen bei einem ökonomischen Vergleich unberücksichtigt bleiben, wird das Ergebnis zu Ungunsten der Geothermie verzerrt und führt dazu, daß trotz der zahlreichen positiven Beispiele die Wirtschaftlichkeit von Geothermie-Anlagen vielfach noch in Frage gestellt wird.