Vom Winde verweht ....
"Hausgartenstudie": Studie zu Hausgärten, Hausstaub und Spielsanden
Dr. Birger Heinzow

...... und im Regen verborgen, landen viele Schadstoffe aus Industrie und Verkehr im Boden unserer Hausgärten. Besonders Eltern von Kleinkindern reagieren deshalb besorgt, wenn sich der Forscherdrang ihrer Kleinen darin zeigt, daß der Gartenboden im Mund verschwindet. Um die umwelttoxikologische Bedeutung des Bodenpfades, also die Aufnahme von Schadstoffen über den Boden, für Kleinkinder zu ermitteln, wurde die sogenannte Hausgartenstudie durchgeführt. Neben den Gartenböden wurden auch Hausstäube und Spielsande untersucht, da auch hier mit Kontamination von Schadstoffen zu rechnen war.

In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Gesundheitsbehörden und dem Geographischen Institut der Universität Kiel wurde diese Studie in den zwei städtischen Regionen Brunsbüttel und Lübeck sowie in den ländlich geprägten Regionen Bornhöved und Bredstedt durchgeführt. In 200 Familien mit Kindern, die sich freiwillig zur Verfügung stellten, wurde die Belastung von Gärten und Hausstaub mit Schwermetallen, Organochlorverbindungen (OCV = polychlorierten Biphenylen (PCB) und Biozide) und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) untersucht.

Schwermetalle im Boden und Hausstaub

Im Feinstaub von gesiebten Staubsaugerbeutelproben wurde eine durchschnittlich zehnmal höhere Konzentration an Schwermetallen als in der untersuchten Gartenerde gefunden. Das Ergebnis war zu erwarten, da Staub durch seine größere Oberfläche mehr Schadstoffe anlagern kann. Ein Zusammenhang zwischen Boden und Hausstaubbelastung konnte aber nicht festgestellt werden.

Für die Schwermetalle Blei und Zink sowie Cadmium und Quecksilber weist der ländliche Bereich jeweils die niedrigsten Konzentrationen auf. Die Städte Lübeck und Brunsbüttel sind bedingt durch den stärkeren Industrie- und Verkehrseinfluß höher belastet.

Die Bodenbelastungen mit Blei lagen in der Nähe von Hauptstraßen sowie in Gärten von Altbauten und Mehrfamilienhäusern höher. Ebenfalls höhere Werte von Blei wurden im Hausstaub von Mehrfamilienhäusern und Altbauten gefunden. Chrom trat dagegen verstärkt in Neubauten auf.

Gründe dafür könnten in der unterschiedlichen Methode der Hausfeuerung liegen. So kann eine Ofenheizung zu höheren Belastungen mit Blei, Arsen und Chrom führen. Bisher liegen erst wenige Vergleichsdaten über die Belastung von Hausstaub vor. Festgehalten werden kann aber, daß sich die in der Studie festgestellten Werte der Staubsaugerbeutel in einer ähnlichen Größenordnung wie die Vergleichsdaten des Umweltsurvey des Umweltbundesamtes (UBA, 1985-1986) aus der ganzen Bundesrepublik bewegen.

Blei im Blut

Bei einigen Kindern wurde der Bleigehalt in ausgefallenen Milchzähnen und im Blut bestimmt, um Aufschlüsse über einen möglichen Zusammenhang zwischen Boden und Hausstaubbelastungen und der biologisch relevanten inneren Bleikörperbelastung zu gewinnen. Erhöhte und damit auffällige Bleibelastungen im Blut konnten aber nicht festgestellt werden.

Organika im Boden und Hausstaub

Zusammenhänge bestanden zwischen dem Alter der Gebäude, Ofenheizungen sowie Mehrfamilienhäusern und der Belastung mit Organochlorverbindungen (Insektizide, PCB). Als Quellen für Organochlorverbindungen im Innenraum sind Baumaterialien, Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte und bestimmte Chemikalienanwendungen wie Insektizide, Mottenpapier und Holzschutzmittel von Bedeutung.


PAK und OCV-Belastungen der Spielsande, Hausgartenböden und Hausstäube aus vier Regionen von Schleswig-Holstein (Angaben für OCV in µg/kg und PAK, BaP in mg/kg)

  HCB y-HCH S-DDT S-PCB* S-PAK' B[a]P
Spielsand, n = 101
Median

0,05

0,10

0,10

0,60

0,60

0,05

Max

0,31

1,10

7,70

18,00

3,70

0,70

95.Perzentil

0,14

0,60

2,70

5,00

0,90

0,05

Gartenboden, n = 168
Median

0,26

0,19

1,70

2,90

1,50

0,05

Max

2,24

8,90

225,00

328,00

35,00

3,40

95.Perzentil

1,15

1,10

37,00

20,00

9,60

1,30

Hausstaub, n = 200
Median

2,42

45,00

59

58,00

-

-

Max

173,00

1.126

4.896

11.966

-

-

95.Perzentil

38,00

291,00

1062

690,00

-

-


* Summe-PCB ( PCB 28 + 52+ 101 + 138 + 153+ 180), # Summe-PAK ( nach EPA)

Unerwartet hoch fielen die DDT-Gehalte in Hausstaubproben aus, obwohl die Anwendung von DDT seit den 70er Jahren in der Bundesrepublik verboten ist. Bei der Betrachtung der Gebäudecharakteristika fällt die Korrelation mit dem Alter des Hauses auf: Die DDT-Hausstaubbelastung ist möglicherweise als Altlast von Jahrzehnte zurückliegenden Anwendungen von Insektenvernichtungsmitteln zu interpretieren. Die Altersabhängigkeit der DDT-Belastungen wurde auch in den Gartenböden festgestellt.

Als Quelle für PCB-Belastungen im Hausstaub kommen möglicherweise Elektrogeräte älterer Bauart mit PCB-haltigen Kondensatoren in Frage.

PAK-Belastungen von Gärten sind für Schleswig-Holstein bisher nur vereinzelt bestimmt worden. Die Studie liefert somit Basisdaten und zeigt das bestehende Bewertungsdilemma für diese Substanzgruppe auf. PAKs sind Reaktionsprodukte von Verbrennungsvorgängen. In Gartenböden stammen sie hauptsächlich aus offenen Feuern und deren Asche und sind auf entsprechende Aktivitäten wie Grillen und Lagerfeuer oder Teerverunreinigungen zurückzuführen. Wegen des stärkeren Autoverkehrs und der Siedlungsdichte sind die PAK-Werte in städtischen Ballungsgebieten höher als auf dem Lande.

Bewertungsgrundlagen

Weitere Untersuchungen zur PAK-Thematik und die Erstellung einheitlicher bundesweiter Bewertungsgrundlagen sind dringend erforderlich. Hierbei sind auch einheitliche Auswertungsverfahren in Bezug auf die Einzelverbindungen festzulegen.
Als Beurteilungsgrundlage für die Bodenbelastung mit Chlororganika wird für Schleswig-Holstein empfohlen, die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft "Bodenschutz" zu verwenden, die Orientierungswerte für den Nutzungsbereich Spielplatz und Wohngebiet vorgelegt hat.

Zur umwelthygienischen und umwelttoxikologischen Bewertung von Bodenbelastungen mit Schwermetallen werden vom Umweltministerium in Schleswig-Holstein bis zum Vorliegen bundeseinheitlicher Richtwerte die Werte der sogenannten Bremer Liste als Bewertungsgrundlage empfohlen.


Prüfwerte (Einschreitwerte) für Spielsand und Boden auf Kinderspielplätzen nach dem Erlaß des MUNF vom 14.06.96

  Substanz Einschreitwert    (S 2) Spielsand Einschreitwert (B 2) Boden
Arsen *

10 mg/kg

20 mg/kg

Blei *

100 mg/kg

400 mg/kg

Cadmium*

2 mg/kg

10 mg/kg

Chrom *

50 mg/kg

250 mg/kg

Quecksilber *

0,5 mg/kg

5 mg/kg

Nickel *

20 mg/kg

100 mg/kg

Summe PCB

1 µg/kg

2 µg/kg

Summe PAK

10 mg/kg

20 mg/kg

Benzo[a]Pyren

1 mg/kg

2 mg/kg


(*analog zur Bremer Liste: Senator für Gesundheit, Jugend und Soziales der Freien Hansestadt Bremen, 1994)

Gesundheitliche Beurteilung

Weder in den Spielsanden noch in den übrigen Gartenbodenproben werden die Richtwerte der Bremer Liste für Schwermetalle überschritten. Dieses Ergebnis erlaubt die Aussage, daß beim Spiel in den untersuchten Hausgärten nicht mit gesundheitlich relevanten Schwermetallbelastungen zu rechnen ist. Auch können die Befunde für PCB und die untersuchten Organochlor-Pestizide als toxikologisch unproblematisch beurteilt werden.

Für Pestizide und PCB im Hausstaub liegen bisher keine Referenzwerte oder Richtwerte vor. Ein Sonderfall stellt das Insektizid Lindan (y-HCH) dar. Werte bis 2 mg/kg gelten als unbelastet. Bei Werten oberhalb von 4 mg ist eine Verwendung zum Beispiel als Holzschutzmittel anzunehmen. Ein Wert von 2 mg Lindan/kg Staub (= 2000 µg /kg) wurde in keinem Haushalt überschritten.

Fazit

Als Ergebnis der Studie zeigt sich, daß die untersuchten Gartenböden Belastungen in einer vergleichbaren Größenordnung wie in anderen Bodenuntersuchungsprogrammen in Lübeck und Schleswig-Holstein aufweisen und daß, wie erwartet, die Spielsande deutlich niedrigere Werte aufweisen.


Schwermetallbelastung der Spielsande, Hausgartenböden und Hausstäube aus vier Regionen von Schleswig-Holstein (Angaben in mg/kg)

Element Cd Pb As Hg Cr Ni Zn Cu
Spielsand, n = 95
Median 0,03 1,6 0,9 0,005 1,5 1,8 10 2,0
Max 0,20 15,0 3,0 0,03 6,3 5,8 67 6,7
95.Perzentil 0,10 7,3 2,2 0,02 3,7 3,7 26 4,4
Gartenboden, n = 173
Median 0,2 20 2,4 0,05 6,8 3,8 53 8,8
Max. 2,3 173 12,0 0,70 32,0 15,4 336 101,0
95.Perzentil 1,4 97 8,0 0,25 14,0 10,5 182 28,0
Hausstaub, n = 200
Median 3,1 136 3,8 0,7 79 52 871 167
Max 21,5 3.486 56,0 22,4* 310 335 6.489 1.482
95.Perzentil 9,0 717 8,1 3,1 182 110 1.787 497


Eine Empfehlung ist daher die Anlage einer Sandkiste in Hausgärten, um die Schadstoffbelastung für Kinder so gering wie möglich zu halten.

Der Immissionsschutz ist und bleibt aber die Hauptaufgabe bei der Vermeidung von Schadstoffbelastungen. Auch die in dieser Studie festgestellte Unterschreitung der Richtwerte für die untersuchten Schadstoffe darf darüber nicht hinwegtäuschen.