Flaschen, Fotos und Fixierer
Innovationen bei der Verwertung von Sonderabfällen
Ursula Strenge

Neben der Genehmigung und Überwachung von Abfallentsorgungsanlagen und der Erhebung der Landesabfallabgabe wurde Anfang 1996 in der Abteilung "Abfall und Immissionen" ein neues Arbeitsgebiet aufgebaut, das die Bereiche Sammlung und Aufbereitung von abfallwirtschaftlich relevanten Daten, Planung, Konzepte zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen sowie die Förderung von Projekten aus Mitteln der Abfallabgabe umfaßt.
Der Ansatz ist, von punktuellen, nicht integrativen Aktivitäten zur Abfallvermeidung und -verwertung zu zielgerichteten, effizienten und integrativen Handlungstrategien zu gelangen. Dies erfordert eine Abkehr vom alten medialen Umweltdenken und end-of-pipe-Ansatz hin zu stoffstromorientierten Strategien mit der langfristigen Zielsetzung eines nachhaltigen Wirtschaftens in Schleswig-Holstein.

Strategie zur Vermeidung und Verwertung von Sonderabfällen

Umweltbelastungen aus dem industriell-gewerblichen Bereich lassen sich insbesondere durch organisatorische und technische Maßnahmen zur Minimierung des innerbetrieblichen Stoffeinsatzes sowie zur Rückgewinnung von Roh-, Hilfs- und Wertstoffen verringern. Den hochwertigen Verfahren ist der Vorrang zu geben. Desweiteren sind gefährliche und umweltbelastende Roh- und Hilfsstoffe und daraus resultierende Produkte durch weniger umwelt- und arbeitsschutzrelevante Stoffe zu ersetzen.
Abhängig von der Abfallerzeugerstruktur und den möglichen Verfahrenstechniken bietet sich entweder eine abfallbezogene oder eine branchenbezogene Herangehensweise bei der Ermittlung und Umsetzung von Maßnahmen zur Vermeidung und Verwertung an.
Diese Maßnahmen sind dabei immer in einem medienübergreifenden Kontext zu betrachten, um nicht zu einer Verlagerung von Umweltbelastungen zu führen.
Basierend auf den Erfahrungen anderer Bundesländer mit Programmen zur Umsetzung von Strategien zur Abfallvermeidung und -verwertung sollen in Schleswig-Holstein folgende Initiativen ergriffen und mit Fördermitteln aus der Abfallabgabe unterstützt werden:

Beispielhaft für andere Aktivitäten werden im folgenden das Förderprojekt "Acetylengasflaschenverwertung" und das Vermeidungs- und Verwertungskonzept für Fotochemikalien dargestellt.

Förderprojekt "Acetylengasflaschenverwertung"

Acetylengasflaschen finden insbesondere in der Schweißtechnik Anwendung. Für die Speicherung des Acetylens unter hohem Druck werden die Gasflaschen vollständig mit porösem Material wie Bimsstein, keramischen Stoffen oder Calciumhydrosilikaten ausgekleidet, das teilweise durch Asbestfasern verstärkt ist. Zur weiteren Erhöhung des Speichervermögens wird ein Lösemittel (Aceton oder Dimethylformamid) eingefüllt, das eine hohe Acetylenlöslichkeit aufweist. In Fachkreisen schätzt man, daß jährlich bundesweit etwa 50.000 Acetylengasflaschen ausgesondert und der Entsorgung zugeführt werden. Wegen möglicher Asbest- und Lösemittelemissionen sind die bisher praktizierten Entsorgungswege für diese Flaschen auf Hausmülldeponien oder über den Altmetallhandel aus rechtlicher und ökologischer Sicht als bedenklich einzustufen.
Mit Fördermitteln aus der Landesabfallabgabe wird jetzt die bundesweit erste Anlage zur Verwertung von Acetylengasflaschen errichtet. Das Verfahren der Firma Umwelt - Technik - Metallrecycling GmbH (UTM) aus Lübeck stellt ein innovatives Konzept zur Behandlung der Gasflaschen auf hohem technischen Niveau dar.
Im ersten Verfahrensschritt wird durch eine Vakuumabsaugung das in den Flaschen enthaltene Lösemittel entfernt. Lösemittel sieden unter Vakuum bei sehr viel niedrigeren Temperaturen als unter Atmosphärendruck, so daß eine weitergehende und erheblich schonendere Rückgewinnung erfolgen kann. Der entstehende Lösemitteldampf wird aus den Flaschen abgesaugt, in einem Abscheider kondensiert und der stofflichen Verwertung zugeführt. Anschließend wird der Stahlmantel aufgesägt und die möglicherweise asbesthaltige Füllmasse herausgepreßt. Eine Wasserbenetzung verhindert beim Austreten von asbesthaltigem Material die mögliche Freisetzung von Asbestfasern am Arbeitsplatz. Der Stahlanteil wird der Altmetallverwertung zugeführt. Die asbesthaltige Masse fachgerecht deponiert. Versuche zur Verwertung sind nach einer ersten Erprobungsphase vorgesehen. Das Verfahren kann eine maximale Verwertungsquote von etwa 80 Gewichtsprozent erreichen und zeichnet sich außerdem durch die Schadstoffentfrachtung der herkömmlichen Entsorgungswege aus.


Materialmengen und Verwertungspotentiale von Acetylengasflaschen

Material Gewichtsanteil [kg/Flasche]

Prozentualer Gewichtsanteil [%/Flasche]

Entsorgung
Eisen

40

56,0

Altmetallverwertung
andere Metalle

0,4

0,6

Altmetallverwertung
Lösemittel

16

22,4

Stoffliche Verwertung
Füllmassen
(z.T. asbesthaltig)

15

21,0

ordnungsgemäße
Beseitigung
Gesamt

71,4

100,0

 




Durch das vorgestellte Verwertungsverfahren der Firma UTM wird eine umweltgerechte Entsorgung von Acetylengasflaschen in Schleswig-Holstein zukünftig sichergestellt.

Vermeidungs- und Verwertungskonzept für Fotochemikalien

Die Begleitscheinauswertung der Gesellschaft für die Organisation der Entsorgung von Sonderabfällen mbH (GOES) für die Jahre 1994 und 1995 weist für Schleswig-Holstein Entwickler und Fixierer mit etwa 1.600 Tonnen pro Jahr aus. Aufgrund des Mengenanfalls und ihres Schadstoffpotentials gehören Fotochemikalien zu den prioritären Abfallarten in Schleswig-Holstein.

Gegenwärtig werden Fotochemikalien überwiegend betriebsextern aufgearbeitet. Dabei steht die wirtschaftlich interessante Rückgewinnung des Silbers aus dem Fixierer im Vordergrund. Anschließend werden die Fotochemikalien mittels Verdampfung auf 10 bis 20 Prozent ihres Volumens eingeengt und in einer Untertagedeponie oder Sonderabfallverbrennungsanlage beseitigt.

Zur Vermeidung und weitergehenden Verwertung von Fotochemikalien bestehen folgende technische Ansatzpunkte:

Erzeuger von verbrauchten Fotochemikalien sind im wesentlichen Druckereien, radiologische Einrichtungen und größere Foto- und Filmlaboratorien. Der größte Mengenanfall und die höchsten Vermeidungs- und Verwertungspotentiale (VV-Potentiale) liegen bei den radiologischen Einrichtungen. Daher wurde ein Arbeitskreis bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Verbandes der Radiologen, des Verbandes der Krankenhausdirektoren und der Fachhochschule Lübeck unter der Leitung des LANU eingerichtet, der die Umsetzung von Vermeidungs- und Verwertungsmaßnahmen für Fotochemikalien in radiologischen Einrichtungen unterstützen soll. Es wurde folgender Arbeitsplan erstellt, der gegenwärtig umgesetzt wird: