Kleine Algen - große Wirkung
Das Algenfrüherkennungssystem
Jeanette Göbel

Das Algenfrüherkennungssystem (AlgFES) wird seit 1989 betrieben und dient der Beobachtung, Bewertung und kurzfristigen Prognose von Mikroalgenentwicklungen in den Küstengewässern Schleswig-Holsteins.

Anlaß zur Einführung des AlgFES war die Massenvermehrung einer winzigen Mikroalge, die sogenannte Algenblüte, in den norwegischen Gewässern. Durch die Algenblüte wurden Gifte produziert, die zu Schädigungen verschiedener Meeresorganismen und hohen Verlusten der dort in Fischfarmen gehaltenen Lachse führte. Entlang der schleswig-holsteinischen Küste wird zwar kaum Fischzucht betrieben, das Land ist jedoch wirtschaftlich auf den Tourismus angewiesen. Insbesondere in den Sommermonaten reisen badebegeisterte Touristinnen und Touristen ins Land.

Massenhafte Vermehrungen von Mikroalgen können die Qualität des Badewassers beeinflussen, wenn die hohen Zelldichten zu Verfärbungen, Geruchs- oder Schaumbildung entlang der Küsten führen. Ergebnisse aus dem AlgFES werden als bewertende Kurzinformationen zur aktuellen Algensituation während der Badesaison fortlaufend als Algenreport veröffentlicht. Getrennt nach Nordsee- und Ostseeküstenbereich erhalten Touristeninformationen, Naturschutzzentren und -verbände, Kurverwaltungen und andere Informationstellen wöchentlich alternierend die aktuelle Ausgabe. Der Algenreport enthält neben Wissenswertem über Mikroalgen auch eine Beschreibung der aktuellen Situation und zeichnerische Darstellungen der vorherrschenden Mikroalgen.

Der Algenreport

Der Algenreport
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Daneben werden während der gesamten laufenden Probenahmesaison ausführlichere Berichte, mit Angaben zu Hydrographie und Mikroalgenartenvorkommen für das Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten, sowie Gesundheits- und Veterinärämter, sowie den Ämtern für Land-und Wasserwirtschaft harausgegeben. Es werden auch nationale und internationale Meereskundeinstitute mit diesen fachlichen Informationen versorgt.

Für die Untersuchungen werden in den Monaten April bis Oktober an 15 Stellen in der Nordsee etwa vierzehntägig und an bis zu 23 Stellen in der Ostsee wöchentlich Wasserproben etwa 0,5 Meter unter der Wasseroberfläche genommen. Die Probenahmestellen in der Nordsee liegen eher küstenfern, entlang der Ostseeküste befinden sie sich eher küstennah im Bereich der Förden und Buchten.

Probenahmestationen in Nord- und Ostsee

Probenahmestationen in Nord- und Ostsee
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Da die Küstengewässer der Nordsee dem Einfluß der Gezeiten unterliegen, ist der Einsatz des Hubschraubers notwendig. Auf diese Weise ist die Beprobung zum Hochwasserzeitpunkt während einer Tidephase gewährleistet. Entlang der Ostsee führten bislang die Wasserschutz-Polizeidienststellen des Landes Schleswig-Holstein die Probennahmen während des Sommers durch.

Die bisherigen Ergebnisse spiegeln einerseits den Einfluß der besonderen hydrographischen Bedingungen der Küstengewässer und andererseits eine deutliche Variabilität in der Ausprägung der Algenblüten wieder. Ein Trend des Vorkommens bestimmter Mikroalgen in bezug auf die vorhandenen Nährstoffe läßt sich bislang noch nicht erstellen. Allerdings lassen sich Aussagen über das Vorhandensein von giftigen Arten und im Probenahmegebiet neu aufgetauchten Arten treffen. Auch über Zusammensetzung, Andauer, Enstehungsort, Ausbreitungsrichtung sowie flächenhafte Ausdehnung von Algenblüten wurden in den vergangenen Jahren Erkenntnisse gewonnen. Besonders deutlich werden Unterschiede, wenn die Ergebnisse aus dem südlichen und nördlichen Bereich der Nordseeküstengewässer verglichen werden. Aufgrund der Nährstofffrachten der großen Flüsse und der besonderen Hydrographie des südlichen Bereiches werden hier höhere Werte gemessen als im Norden.

Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht jahreszeitliche Schwankungen bei den Nährstoffen Phosphat, Nitrat und Nitrit, dokumentiert durch Meßergebnisse aus den Jahren 1990 - 1996.

Mittelwerte der (Nitrat + Nitrit)-Werte des nördlichen und südlichen Bereiches, gemittelt nach Monaten der Jahre 1990-1996

Mittelwerte der (Nitrat + Nitrit)-Werte des nördlichen und südlichen Bereiches
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Mittelwerte der Phosphat-Werte des nördlichen und südlichen Bereiches
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Die Menge der vorhandenen Mikroalgen, die Biomasse, kann durch die Messung des Chlorophyll a-Gehaltes erfaßt werden. Die Graphik der Chlorophyll a-Gehalte der Jahre 1990 - 1996 veranschaulicht die Änderungen der Biomasse, wobei neben erhöhten Gehalten eine zeichnerische Abbildung den durchaus unterschiedlichen "Verursacher" kennzeichnet.

Chlorophyll a-Gehalt, Mittelwerte des südlichen und nördlichen Bereiches, Nordsee AlgFES 1990-1996

Chlorophyll a-Gehalt, Mittelwerte des südlichen und nördlichen Bereiches
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Die nachfolgenden Fotographien zeigen einige ausgewählte Mikroalgen aus dem arten- und formenreichen Mikroalgenbestand der Nordsee- und Ostseeküstengewässer. (Maßstab: 1µm = 0,001mm)

Kieselalgen des Ostseeplanktons:

Stephanodiscus hantzschii
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a.) Stephanodiscus hantzschii (Durchmesser: 15µ)


Skeletonema costatum
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b.) Die Rippen-Kieselalge (Skeletonema costatum, Durchmesser: 4µm). Durch Aneinanderreihung der Zellen bilden sich Ketten aus, die auch schon mit bloßem Auge in einer Wasserprobe im Glas auszumachen sind. Während der Sommermonate können die Zelldichten in den Ostseeförden und -buchten bis auf 100 Millionen Zellen/Liter ansteigen und zu einer rötlich-braunen Verfärbung des Wassers führen.


Zwei Arten der Gattung der Flügel-Zweigeißelalgen (Dinophysis). Sie kommen in der Nordsee, aber auch in der westlichen Ostsee vor:


Dinophysis rotundata
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a.) Dinophysis rotundata (Länge: 40µm)


Dinophysis norvegica
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b.) Dinophysis norvegica (Länge: 60µm), die zu den potentiell toxischen Arten gehört. Die von ihr produzierten Gifte können in Muscheln angereichert werden, da Muscheln ihre Nahrung aus dem Plankton filtrieren. Vergiftungserscheinungen treten bei Menschen vorwiegend in Form von Durchfall auf. Deshalb bezeichnet man diese Mikroalge auch als "DSP-producer", abgeleitet von dem englischen Wort für "diarrhetic shellfish poisoning".


Emiliana huxleyi
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Unter dem Rasterelektronenmikroskop werden besonders schön Form und Struktur der Kalkplättchen dieses kleinen Flagellaten (Emiliana huxleyi, Durchmesser: 5,5µm) deutlich.